Mein Assistent, der Roboter

ForscherInnen im Hilfsmittelsektor beginnen Vorträge gerne mit dem Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung. Zum Teil werben sie dafür, „Pflegeroboter“ oder „Serviceroboter in der Pflege“ als Lösung eines auf Grund der demografischen Entwicklung angeblich unvermeidbaren Pflegenotstands einzusetzen.

Der Begriff „Roboter“, aber auch der Begriff der Pflege wird meist recht willkürlich benutzt. Zuweilen werden automatisierte Transportsysteme als Roboter bezeichnet. Auch Esshilfen in Form „motorisierter Löffel“, die Nahrung zum Mund führen — zumindest wenn vorher nichts herunterfällt — oder Plüschseehunde, die sich bewegen und Laute von sich geben, werden zuweilen der Robotik zugeordnet. Die „automatisch gesteuerten“ Assistenzroboter sind eher für den Einsatz in Pflegeheimen gedacht, wo es lange Wege zurückzulegen und viele Menschen zu versorgen gilt. Die Automatisierung durch sogenannte fahrerlose Transportsysteme kommt in Krankenhäusern beim Wäsche- und Materialtransport bereits zum Einsatz. Noch verhindern Vorschriften, dass PatientInnen automatisiert beispielsweise zur Röntgenabteilung gefahren werden. Der Vorteil einer vertrauten, in langen Krankenhausfluren begleitenden Pflege kraft bliebe dabei auf der Strecke. Die kleineren „manuell gesteuerten“ Assistenzroboter am Elektrorollstuhl sind dagegen eher im eigenen häuslichen Umfeld sowie unterwegs einsetzbar. Bereits in den 1970er Jahren wurde in ein Heidelberg ein großer Roboter im Bereich der Rehabilitation ausprobiert. Bei dem aktuellen „Serviceroboter in der Pflege“ Care- O-Bot-III des Fraunhofer Instituts in Stuttgart handelt es sich 40 Jahre später ebenfalls um ein stattliches Gerät, dessen mächtiger Industrieroboterarm nicht in direkter Menschennähe tätig wird. Der Robotergreifer des Care- O-Bot-III stellt beispielsweise eine Trinkflasche automatisch auf ein mitgeführtes Tablett. Daraufhin geht der Roboter arm in Ruheposition und dann erst wird zum „Nutzer“ gefahren, der synthetischer Sprache aufgefordert wird, sich die Flasche vom Tablett zu nehmen. Eine andere Richtung in der Assistenzrobotik beschäftigt sich mit Roboterarmen von der ungefähren Größe eines menschlichen Armes, die am Elektrorollstuhl angebracht sind. Joystick können Gegen stände manuell angesteuert und auf genommen werden.

Zwischen Computeranimation und Wirklichkeit
Bei Roboterpräsentationen wird technischen Laien nicht immer deutlich, inwiefern es sich um ein Ist-Szenario oder um ein Wunsch-Szenario der Entwicklerinnen und Entwickler handelt. Bereits kleine Auslassungen in den Präsentationen sind bedeutsam. Beispielsweise beim Trinken: Wie lange muss der Roboter vorher auf das Umfeld programmiert werden, auf das er dann flexibel reagieren kann? Von woher kommt das wie zubereitete Getränk auf welche Weise in die Tasse? Wo kommt die Tasse her, wie und wo wird sie dem Empfänger gereicht und wie lange dauert das? Und was macht der Roboter, wenn eine gut trinkende jedoch stark bewegungseingeschränkte Nutzerin daraufhin häufiger zur Toilette möchte? Man kann davon ausgehen, dass Roboter auf absehbare Zeit keine um fang reichen pflegerischen Tätigkeiten wie Ankleiden, Waschen, Toilettenassistenz oder Rollstuhl- Bett-Transfers über nehmen können Einen menschlichen Kör mit schwachem Muskeltonus bei Schmerzanfälligkeit mittels Robotik aufzunehmen und zu heben, bedarf kippsicherer mit vielen verschiedenen Greifern sowie umfang reicher Sensorik und Sicherheitsvorkehrungen ausgestatteter Technologie. Es kommt nicht nur auf das Heben an: Es gilt, im richtigen Moment einen ausgelösten Spasmus zu beruhigen, eventuell den Kopf zu stützen, Nebenbei auf Dekubitusgefahrenstellen zu achten und im richtigen Moment das Ent- oder -Bekleiden vor zu bereiten. In Fachkreisen ist gelegentlich die Rede davon, dass man „in Japan“ viel weiter bei der Entwicklung von Pflegerobotern sei. Bei genauer Nachfrage scheint jedoch niemand, einen alltagstauglichen Pflegeroboter selber gesehen zu haben. In High-Tec-Laboratorien wird zwar an automatischen und fern steuer baren Hilfsmitteln geforscht, unter Bezeichnungen wie „Ambient Assisted Living“ oder „Smart House“ wird an technikgestützten Dienstleistungsszenarien gearbeitet. Diese sind aber meist eher Vorrichtungen zur personalsparenden Überwachung und moderne Kommunikationstechnik, die das Verlassen der Wohnung — sei es zum Einkaufen, Arzt besuch oder Pflege von Sozialkontakten — optimieren sollen, sie damit aber auch einschränken und überwachen.

Wer forscht? Wer fragt?
Die Assistenz-Roboter bieten Forschungsinstituten und Firmen, die sich mit Automatisierung beschäftigen, ein weites Betätigungsfeld. Ohne die Konkurrenz um Forschungsgelder und Subventionen könnten die verschiedenen Roboter-Ansätze und Robotergenerationen vermutlich mehr voneinander profitieren. Wenn RoboterforscherInnen angeben, dass ein Roboter in der Pflege „selbstverständlich keine Menschen ersetzen soll“, jedoch gleichzeitig von „Optimierung im Pflegesektor“ sprechen und ihren Kostenträgern den Sinn ihres Forschungsansatzes nachweisen müssen, kommt ein Dilemma zum Ausdruck das auch mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen zu tun hat. Nicht von Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Leute — Schwerbehinderte WissenschaftlerInnen, die selber umfangreich Assistenz in Anspruch nehmen und in entscheidungsbefugter und bezahlter Position an Hilfsmittel- Forschungsprojekten mitarbeiten, fehlen. Sie können dazu beitragen, dass nicht über die Köpfe behinderter Menschen „hinweggeforscht wird“. Dies ist auch der Kernpunkt der Debatte. Wenn die Ressourcen eines reichen Landes wie Deutschland genutzt werden um Menschen selbst über die Form und den Ort ihrer Pflege entscheiden zu lassen, kann ein Gewinn an Privatsphäre und Selbsttätigkeit auch unter Einbeziehung von Robotik erreicht werden. Dies ist jedoch eine politische und keine technische Frage.

 

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