An der Vielfaltsfront. Bundeswehr setzt auf Diversität

Mittagspause im Zentrum für Verifikationsaufgaben.
Foto: © SLUB / Deutsche Fotothek / Peter, Richard sen.
Lizenz: Freier Zugang – Rechte vorbehalten. Quelle: http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/88950038

Erinnern Sie sich noch an Horst Köhler? Der CDU-Politiker und ehemalige Zeitsoldat war von 2004 bis 2010 deutscher Bundespräsident. Bei Amtsantritt konnte er schon auf eine langjährige Karriere zurückblicken. Als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Anfang der 1990er Jahre soll er maßgeblich an der Planung der sogenannten Währungsunion beteiligt gewesen sein und so dazu beigetragen haben, ostdeutsche Banken und Betriebe zu »Spottpreisen« nach dem Westen zu verscherbeln. Auf Vorschlag von Gerhard Schröder (SPD) wurde er 2000 Direktor des Internationalen Währungsfonds, also jener Institution, die verschuldete Länder dazu zwingt, sich den »Finanzmärkten«, also dem Finanzkapital unterzuordnen. Der Höhepunkt seiner Amtszeit als Bundespräsident war wohl sein Rücktritt. Anlass dafür war die öffentliche Kritik an einem Interview mit dem Deutschlandradio. Vor dem Hintergrund der Stationierung deutscher Truppen in Afghanistan hatte er darin über die Aufgaben der Bundeswehr gesprochen:

»Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung (…) wissen muss, dass im Zweifel (…) auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. (…) Wir haben ja leider diese traurige Erfahrung gemacht, dass Soldaten gefallen sind, und niemand kann ausschließen, dass wir auch weitere Verluste irgendwann beklagen müssen. (…) Aber es wird wieder Todesfälle geben, nicht nur bei Soldaten (…).«

Thomas Oppermann (SPD) erklärte damals, Köhler schade »der Akzeptanz der Auslandseinsätze«, außerdem wolle man »keine Wirtschaftskriege«. Dass Köhler aber in der Sache die deutsche Militärpolitik korrekt beschrieb, zeigte später das sogenannte Weißbuch der Bundeswehr von 2016. Eine zentrale Aufgabe der Armee sei es, eine »ungehinderte Nutzung von (…) Transport- und Handelslinien« zu gewährleisten. Und weiter: »Unsere Wirtschaft ist ebenso auf gesicherte Rohstoffzufuhr und sichere internationale Transportwege angewiesen wie auf funktionierende Informations- und Kommunikationssysteme.« Wohlgemerkt: Es geht dabei um Einsätze in aller Welt.

In diesem Zusammenhang möchte die militärische Führung auch etwas für diskriminierte Minderheiten tun. Ziel sei ein »modernes Diversity Management«, das »vorhandene Potenziale besser nutzt und weitere strategisch erschließt.« Ins »Blickfeld« rückten »Alter, Behinderung, ethnische oder kulturelle Herkunft, Geschlecht, Religion oder sexuelle Orientierung.«

An der Vielfaltsfront konnte die Verteidigungsministerin noch im gleichen Jahr erste Erfolge melden. So gebe es schon »9000 Menschen mit Behinderung in der Bundeswehr«. Das genügt natürlich noch nicht. Die Armee sei ein »Integrationsfaktor«, meldete der Bundeswehrverband. Wichtig seien »Chancengleichheit, Vielfalt und Inklusion«. Die Aachener Zeitung titelte im September 2018: »Großer Einsatz für Inklusion Schwerbehinderter bei der Bundeswehr«. Im »Geilenkirchener Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr« wird demnach ein »Aktionsplan« für Inklusion umgesetzt. Kommandanten, Feldwebel und Leutnants erhielten Preise dafür, dass sie Arbeitsplätze und –abläufe entsprechend angepasst haben.

Was machen die behinderten und nichtbehinderten Bundis in Geilenkirchen? Nach eigenen Angaben stellt das Zentrum »die Umsetzung der Rüstungskontrollverträge sicher, die die Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten abgeschlossen hat«. Laut Süddeutscher Zeitung unterhält der Bundesnachrichtendienst eine (jetzt nicht mehr) geheime Außenstelle im Zentrum; Rüstungskontrolle und Spionage lassen sich offenbar gut miteinander verbinden.

Die Begriffe »Inklusion« und »Gleichstellung« stehen bekanntlich für Teilhabe; sie besagen aber nichts darüber, ob das, woran teilgehabt werden soll, gesellschaftlich nützlich oder schädlich ist. Deshalb eignen sie sich auch, um im Militärjargon zu bleiben, zur Durchführung von Ablenkungsmanövern. Und die Moral von der Geschicht? Ins Falsche inkludier dich nicht.

 

Michael Zander

You must be logged in to post a comment