Der Versuch, als Hure und langjährige EMMA-Leserin über das von Alice Schwarzer herausgegebene Buch „Prostitution ein deutscher Skandal. Wie konnten wir zum Paradies der Frauenhändler werden?“ zu schreiben.
Auf welch eine masochistische Tortour hab ich mich nur am Abend des 14. November letzten Jahres eingelassen, als ich Matthias eine Rezension für das Mondkalb zusagte! An diesem Tag stellte Alice Schwarzer das von ihr herausgegebene Buch „Prostitution ein deutscher Skandal.“ in der Urania in Berlin vor. Von wegen Buchvorstellung! Es fand kaum Erwähnung. Hingegen konzentrierte sich Schwarzer auf ihre Mitstreiter_innen, die zusammen mit ihr gegen Prostitution und Prostituierte hetzten. Die meisten Besucher_innen hatten, auch wenn sie die polemische und populistische Art der Herausgeberin kannten, doch etwas anderes erwartet – eben eine Lesung und Diskussion.
Wir wollten diese Hetze nicht unwidersprochen lassen.
Wir, das sind etwa 40 Prostituierte, Betreiber_innen, Sozialarbeiter_innen, Sympathisant_innen und Kund_innen. Danach hatten sich die meisten der Aktivist_innen noch auf Bier und Wein getroffen, um Bilanz zu ziehen, was die vor dem Eingang der Urania verteilten Flyer und das Transparent mit dem Spruch „Mein Beruf gehört mir“ gebracht hatten, das vier Frauen kurzzeitig im Saal entrollen konnten, die aufgespannten roten Schirme, der nackte Arsch auf der Bühne, die Diskussionsbeiträge und Pfiffe.
Ich hatte das Buch dabei, das ich als Rezensionsexemplar bestellt hatte. Denn selbst als langjährige EMMA-Leserin ist meine Motivation als Hure nicht gerade hoch, für meine Diffamierung auch noch zu zahlen. Matthias sah es und fragte mich nach einer Rezension.
Nun musste ich mich durch die 322 Seiten mit Texten und Fotos kämpfen – meist in der U-Bahn.
Für die Badewanne oder das Bett, in denen ich normalerweise meine Bücher zu lesen pflege, war mir dieses zu eklig. Die BILD würd ich da ja auch nicht mit reinnehmen wollen, weil ich sofort die Wäsche bzw. das Wasser wechseln müsste. In der U-Bahn hab ich immer tunlichst versucht zu verbergen, welchen Schund ich grad konsumiere. Erstens kam mir in diesem Fall kostenlose Werbung nicht in die Tüte. Außerdem hab ich mich, zweitens, echt geschämt.
Die ganze Zeit musste ich mich fragen, ob die Leute, die mir vielleicht grade über die Schulter blinzeln oder einen Blick aufs Cover erhascht haben, mich entweder abschätzig beurteilen, weil sie mich als Prostitutionsgegnerin identifizieren – das würde ich zugegebenermaßen selber mit allen machen, die so etwas in der Öffentlichkeit lesen –, oder aber Schwarzer und ihren ‚SchergInnen‘ glauben und sich dadurch bestätigt fühlen. Bei beiden Befürchtungen bestand keine Möglichkeit zum Handeln, musste ich doch, der Diskretion der Öffentlichkeit unterworfen, darauf verzichten, meine Meinung vorsorglich laut kund zu tun.
Und dabei hat Schwarzer doch eines mit ihren verhassten Zuhältern und den durch die Bank ach so bösen Bordellbesitzern gemein: Sie verdient gut am Leid meiner Kolleg_innen.
Nur läuft bei ihr die Werbung nicht über „ohne Kondom“ , sondern über 90 Berühmtheiten, die ihre Namen und Köpfe kopflos hergaben, getragen wird. Was sonst als Gewinnstreben sollte sie veranlasst haben, 27 Artikel noch einmal gesammelt herauszugeben, von denen mindestens 24 schon vorher (und mindestens einer hinterher) in der EMMA veröffentlicht wurden?
Doch selbst wenn als Motive ausschließlich Aufklärungswille und Missionseifer voraussetzen wollte, brauche ich über den Inhalt des Buchs kein Wort verlieren. Die Schwäche der Argumente und die Ignoranz gegenüber der Realität von Prostituierten und Freiern haben vor mir schon andere ausreichend entlarvt. Selbst für Prostitutionsgegner_innen bleibt es – der Machart geschuldet – nicht mehr als ein Hort an Anekdoten. Es werden Zahlen, Statistiken und Untersuchungen aufgeführt – die meisten jedoch unüberprüfbar. Auch den Gutwilligsten fällt auf, dass die genannten Werte häufig im Buch voneinander abweichen. Noch mehr dürfte die Dreistigkeit ins Auge fallen, acht Texte ohne Autor_in abzudrucken. Haben sich da Geister ans Schreiben gemacht, die lieber anonym bleiben wollten, um für ihre journalistisch unsaubere Arbeit keinen Ärger zu bekommen?
Tatsächlich finden sich auch noch drei gute Texte in dem Buch. Die sind eher historisch relevant. Ihretwegen dieses Machwerk zu lesen, ist unverhältnismäßig.
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