Einen Blick auf sich zu spüren, ist immer etwas Besonderes. Es ist ein Akt der Aufmerksamkeit, ob gewollt oder ungewollt. Ein Gegenüber hat etwas in seinem Blick, nimmt einen oder etwas an ihm für einen Moment oder länger ins Visier. Augen schauen groß und rund, dazu flüsternde Fragen, unterdrückte Gespräche. Dann wird weitergegangen. Oder eine kleine Kinderhand wird von einer größeren Hand energisch weggezogen. Dieses Bild wiederholt sich, manchmal häufig am Tag. Die Blicke sind manchmal auch ganz direkt. Sie treffen wie Pfeile oder Röntgenstrahlen. Sie untersuchen. Manchmal kommt sogar das Gefühl auf, dass die Augen einen durchleuchten oder dass es notwendig erscheint, sich durch besonders aggressiven Blickkontakt zu schützen; schützen vor etwas, was unbekannt und fremd ist, was sie nicht kennen oder nicht kennen wollen. Manchmal, die Häufigkeit steigt mit dem Alter, folgt auch ein leiser bis mittellauter Seufzer. Und manchmal, aber nur selten folgt diesem Seufzer auch ein Griff ins Portemonnaie und ein Geldschein, für den man sich ein Eis oder etwas anderes Schönes kaufen soll, um das Leben wenigstens ein bisschen schön zu haben. Dann werden die Augen mit einem Stofftaschentuch trocken getupft und gehen. Es gibt Blicke, denen das blosse Sich-auf-einen-Gegenstand-Richten nicht genügt. Sie müssen ihre Konzentration, ihre besondere Beachtung durch leicht offen stehende Münder und leise fragende Geräusche noch hervorheben, aber so einen Forschungsdrang kann man zum Glück in letzter Zeit eher selten beobachten. Und auch die Geldgeschenke nehmen deutlich ab. Vielleicht liegt das daran, dass die Objekte ihres Interesses nun nicht mehr ganz so bedauernswert aussehen, vielleicht aber auch an der allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Lage dieses Landes? Die Augen und ihre Blicke werden immer bleiben, denn wenn sich Menschen in einer Welt bewegen, ist es zwangsläufig gegeben, dass sie sich diese Welt genauer ansehen, dass sie sie in ihren Blick nehmen. Aber diese Art zu Schauen nervt, je nach meiner Tagesverfassung und der meines Gegenübers, mal mehr, mal weniger. Es gibt neben röntgenartiger Neugier ja auch angenehme, leichte Neugier von Menschen, die einem begegnen und die man mit dem eigenen Blick genau so offen und freundlich anschaut. Es gibt also nicht nur blöde Blicke, sondern auch offene, freundliche und neugierige Blicke. Diese Blicke sind nicht wie Röntgenstrahlen. Sie tasten sich heran, probieren aus, fragen und warten auf eine Reaktion, auf Einverständnis, ähnlich wie beim Flirten. Bei dieser Art der Kommunikation entsteht ja auch ein besonderer Moment und man wird zu etwas Besonderem für sein Gegenüber. Und jetzt kann man doch gespannt sein, welcher Blick einen das nächste Mal trifft, wenn man mit seinem Rollstuhl in den Supermarkt oder zur Bank geschoben wird? Ich bin es auf jeden Fall.