Es begann mit den Anatomen der Renaissance. Sie besorgten sich Leichen und zerschnitten sie in einzelne Teile. So konnten sie die Funktionsweisen des Körpers erkennen. Man fing an, den Menschen als Apparatur von Muskeln, Organen, Nerven und Gefäßen zu begreifen. Bereits in dieser Zeit definierte der Philosoph Descartes (1596-1650) den Leib als Mechanismus. Den Geist sah er als den Lenker dieser Körpermaschine. Es dauerte noch fast zwei Jahrhunderte, bis sich die Idee der Maschine veräußerlicht hatte und technologisch niederschlug. Nun wurden die Maschinen durch Transmission oder Dampf fähig, die Urgewalten des Wassers und des Feuers in gezielte Arbeitsschritte umzusetzen. Nicht mehr Menschen fertigten die Gegenstände, sondern mehrere in einer Halle hintereinander aufgebaute Maschinen. Die Menschen waren nur noch dazu da, die Maschinen zu bedienen – die Dinge zu tun, zu denen die Maschinen nicht in der Lage waren. Die Erfindung der Motoren erlaubte es, die massenhaft hergestellten Waren schnell zu verteilen. Technik ist mittlerweile allgegenwärtig, Voraussetzung und Antrieb der modernen Welt. Nie hat sich der Alltag der Menschen und das Antlitz der Erde so schnell und umfassend verändert wie in den letzten 150 Jahren. Nun ergreift die Denkmaschine, der Computer, von jedem Vorgang Besitz. Just als die Maschinen begannen, die Welt zu erobern, löste die Medizin die Theologie als Königswissenschaft ab. Das Wissen der Anatomen konnte jetzt wirksam umgesetzt werden. Ein Arzt war wie ein Mechaniker. Wenn etwas nicht funktionierte, musste nur an der richtigen Schraube gedreht oder die richtige Substanz zugeführt werden, und schon wuchs der gebrochene Knochen gerade zusammen, schon war der Husten weg, schon lösten sich die Wahnvorstellungen auf. Wenn also der Mensch eine Art Maschine ist, warum sollen nicht Maschinen dafür entwickelt werden, Funktionen seines Leibes zu unterstützen und sogar zu ersetzen? Doch die Angst davor ist groß. Kaum jemand kann sich vorstellen, in einem Rollstuhl (eine sehr simple Apparatur) sitzen zu müssen, geschweige denn von Maschinen abhängig zu sein, die wichtigere Körperfunktionen betreffen und über Schläuche und Kabel mit dem Körper verbunden sind. Autos und Computer werden von der Masse ganz selbstverständlich genutzt – in den meisten Fällen, ohne dass eine Behinderung der Beine oder des Kopfes ausgeglichen werden muss. Aber wenn es um künstliche Beatmung, Dialyse oder Sondennahrung geht, möchte der Großteil der Bevölkerung lieber tot sein als davon abhängig. So steht es jedenfalls in den Patientenverfügungen. Nicht die Maschine ist das Problem. Erst sobald sie zum Körper gehören soll, wird es kritisch. Die Maschinen entstanden, um die Arbeit zu erleichtern und zu optimieren. Daraus hat sich eine Technologie entwickelt, die Geräte zu fast allem befähigen kann. Die Entwicklung unserer Alltagskultur zeigt, dass die Gefahr besteht, dass wir verfetten und verblöden, weil uns der alltägliche Überlebenskampf mit schwerer körperlicher Arbeit und vielfältigen Gefahrensituationen erspart bleibt. Unsere Zivilisation ist von Maschinen abhängig. Und je fetter und blöder die Masse wird, desto abhängiger sind wir. Flugzeuge, Bohrmaschinen, i-Phones oder Multiorgasmusvibratoren werden ohne Angst vor Abhängigkeit genutzt und dienen sogar als Statussymbole. Aber obwohl ein Atemgerät durchaus den Preis eines Kleinwagens hat und eine Blutreinigung mittels Dialyse eine wesentlich höhere körperliche Wertigkeit als ein Full-body-Orgasmus, werden sie zu Symbolen unserer Angst vor der Abhängigkeit von den Maschinen. Trotz aller Abwehr: Die Entwicklung ist unumkehrbar. Die Schnittstelle vom Computer zum Nervensystem ist kurz vor ihrer Anwendungsreife. Davon werden zunächst einmal Querschnittsgelähmte profitieren oder Menschen, die unter schweren Formen von multipler Sklerose oder Parkinson leiden. Ein Rechner lässt sich mittlerweile schon ausschließlich durch Gedanken steuern. Auch das ist erst einmal für Leute interessant, die weder reden noch sich bewegen können. Aber jegliche Cyborg- und Matrixfantasien kommen damit der Realität auch ein wesentliches Stück näher. Bereits jetzt erweitern wir unser Bewusstsein auf Festplatten. Es ist absehbar, dass die Rechner nicht nur unsere Bilder und Texte erstellen und verwalten, sondern auch bald mit unseren Hirnen in umfänglichere Wechselwirkungen treten. Japanisch in vier Tagen durch direkte Datenübertragung unter die Schädeldecke oder das Löschen krimineller Triebmuster per Mausklick sind keine allzu ferne Zukunftsmusik mehr. Mit zunehmendem Alter werden bereits heute mehr und mehr Körperfunktionen durch Maschinen unterstützt oder gar ersetzt. Es ist denkbar, dass in gar nicht allzu ferner Zukunft der Zeitpunkt des Todes durch das Ende aller Körperfunktionen und die vollständige Übernahme der Funktionen des Gehirns durch einen Computer gekennzeichnet ist. Das ewige Leben ist dann ein Leben im Cyberspace, ein Bewusstsein in der Virtual Reality. Hier wird alles möglich sein: jegliche Lüste, aber auch alle Qualen – Paradies und Hölle. Dazu müsste man allerdings technologisch anwendbar darstellen können, was das überhaupt ist – das Bewusstsein, das Ich, oder wie Descartes es nannte: der Geist. Die Hoffnung besteht, dass dies nicht gelingt. Vielleicht ist es ja das nicht Festzuschreibende, das immer Andere, das nicht Mechanische – das Menschliche.