„Die Zeit, die man Leben nennt“ – ein sensibler Spielfilm
von Sharon von Wietersheim, die die Geschichte eines jungen
Konzertpianisten erzählt.
Luca Behrendt ist ein junger aufstrebender Pianist, der mit
beiden Beinen im Leben steht und vollkommen in seiner
Musik aufgeht. Nach einem Wettbewerb wird Luca von einem
Auto angefahren und muss in einer Rehaklinik sein
neues Leben als Rollstuhlfahrer lernen. Luca zieht sich in
sich selbst zurück und erst der selbstbewusste, nicht auf den
Mund gefallene Roderick schafft es, Luca aus seiner Erstarrung
zu holen. Während es ihm gelingt durch den Einsatz
der Technik an einem Klavierspielwettbewerb teilzunehmen
und damit seine Passion wieder aufzunehmen, setzt Roderick,
der eh keine hohe Lebenserwartung hat, seinem Leben
ein Ende.
Der Film überzeugt nicht nur durch witzige schnelle Dialoge,
die mit bekannten Klischees über Behinderung und Rollstuhlfahrer
spielen (Bedienung bringt beiden Apfelsaft und
sagt: „Vorsicht Jungs, sonst haut´s euch die Beine weg.“),
sondern vor allem durch zwei wunderbare Hauptdarsteller,
denen man kaum ansieht, dass sie ihre Figuren nur spielen.
Kostja Ullmann als Luca spielt die anfängliche Verzweiflung
und den Rückzug in sich selbst genauso überzeugend, wie
er später die unbedingte Willensstärke darstellt, trotz Querschnittslähmung
wieder Klavier zu spielen. Hinnerk Schönemann
als Roderick ist nicht nur der sprücheklopfende, coole,
selbstdarstellende Freund, sondern auch der am Leben
und an der Liebe zweifelnde Charakterdarsteller, der es
schafft, diesen Szenen genauso viel Glaubwürdigkeit zu geben,
wie die, in denen er Luca als „Prinz Valium“ bezeichnet
und ihn im „Spasti-Fit“, also der Rehaklinik, begrüßt.
Die beiden Schauspieler rollen nicht nur authentisch in ihren
Rollstühlen durchs Bild, sondern überzeugen vor allen
Dingen durch ihre jeweils zu den Figuren passende Darstellungsweise.
Kostja Ullmann schafft es nicht nur den romantischen,
verträumten Beethoveninterpret überzeugend zu
geben, sondern auch nach dem Unfall charismatisch und
cool sich und seinen Rollstuhl in keineswegs weniger attraktiver
und glaubwürdiger Weise in Szene zu setzen. Der
Film spricht durch direkte aber doch sensible Kameraführung
und schauspielerisches Können im Zusammenhang
mit Behinderung stehende Tabuthemen wie Sexualität oder
Arbeit an und bricht sie dadurch. „Die Zeit, die man Leben
nennt“ ist einer der wenigen Filme, in denen Sexszenen
mit dem Protagonisten im Rollstuhl ungeschnitten gezeigt
werden und die Kamera nicht nur den Rollstuhlfahrer
nach dem Sex glücklich im Bett liegend zeigt. Dieser Film ist
ein melancholischer, humorvoller Beobachter zweier Menschen,
die lernen, dass man sich nicht unter der im Film sehr
beliebten Wolldecke verstecken muss und dass man auf vier
Rädern genauso sicher und manchmal noch schneller als
auf zwei Beinen im Leben stehen und durchs Leben kommen
kann. Bravo und Zugabe!
Der Film erscheint Mitte Juni 2008 auf DVD.