„Mein linker Fuß“

Ich tat es. Ich straffte meinen Körper
und streckte meinen linken Fuß zum
drittenmal aus. Ich zeichnete eine Seite
des Buchstabens. Ich zeichnete die
andere Seite zur Hälfte. Dann brach
das Stück Kreide ab, und mir verblieb
nur ein Stummel. Ich wollte ihn fortwerfen
und aufgeben. Dann fühlte
ich die Hand meiner Mutter auf meiner
Schulter. Ich versuchte es noch
einmal. Mein Fuß streckte sich. Ich zitterte,
ich schwitzte und spannte jeden
Muskel. Meine Hände waren so fest
zusammengepresst, dass die Fingernägel
ins Fleisch schnitten. Ich biß meine
Zähne so fest aufeinander, da sie
beinahe meine Unterlippe durchbohrt
hätten. Alles im Zimmer verschwamm,
bis die Gesichter um mich herum nur
noch weiße Flecken waren. Aber – ich
schrieb ihn – den Buchstaben „A“. Da
stand er auf dem Fußboden vor mir.
Zitterig, mit plumpen wackeligen Seitenlinien
und einer sehr ungeraden
Mittellinie. Aber es war der Buchstabe
„A“. Ich blickte auf. Ich sah einen Augenblick
lang das Gesicht meiner Mutter,
Tränen auf ihren Wangen. Dann
bückte sich mein Vater und hob mich
auf seine Schulter.
Ich hatte es geschafft! Dies war der
Anfang, er sollte es meinem Geist ermöglichen,
sich Ausdruck zu verleihen.
Es ist wahr, ich konnte nicht mit meinen
Lippen sprechen, aber jetzt wollte
ich durch etwas sprechen, was länger
währte als das gesprochene Wort
– das geschriebene Wort. Jener eine
Buchstabe, mit einem zerbrochenen
Stück gelber Kreide, die zwischen meine
Zehe geklemmt war, auf den Fußoden
gekritzelt, war mein Weg in eine
neue Welt, mein Schlüssel zu geistiger
Freiheit. Es sollte eine Quelle der Entspannung
für das verkrampfte, steife
Etwas werden, das ich war, das hinter
einem schiefen Mund nach Ausdrucksfähigkeit
lechzte.
Christy Brown: “Mein linker
Fuss“, Diogenes Verlag 1995,

Lena Anders

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