Vor einiger Zeit fand eine Demonstration statt, deren Ziel der Protest gegen die rechtsextreme Infrastruktur im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg war. Sie stand unter dem Motto „Get together, fight together”. Doch nach etwa einem Kilometer war für mich der gemeinsame Kampf beendet. Bei der allgemein erreichten Geschwindigkeit konnte ich nicht mithalten. Mittlerweile hatten mich die ersten Polizeifahrzeuge überholt, die hinter jeder Demonstration herfahren. Da ich es albern fand, in den Abgasen der Wannen weiterzulaufen und von der Demo nichts mehr mitbekam, entschied ich mich, die nächste Straßenbahnhaltestelle aufzusuchen und mich auf den Heimweg zu begeben. Naja, wenigstens bestand nicht die Gefahr, über den Haufen gerannt zu werden. Denn das ist oft genug der Fall, wenn von 3 bis 1 runtergezählt wird und plötzlich die gesamte Demo losläuft. Sollte ich mich da einmal nicht rechtzeitig retten können… Nicht nur, dass ich diese Situationen regelmäßig als äußerst bedrohlich empfinde. Die Frage ist doch auch, was mit diesem Verhalten ausgedrückt werden soll und wozu es dient. Der Vergewisserung der eigenen Fitness ungeachtet all der Personen, die nicht mitmachen können oder wollen? Schließlich bin ich mir durchaus im Klaren darüber, dass die ausgrenzende Wirkung nicht nur mich trifft.
Leider bemühen Linke immer wieder behindertenfeindliche Ressentiments . Meist kommen diese eher als symbolische Gewalt daher. Berühmt-berüchtigt sind in diesem Zusammenhang die Warnungen von Atomkraftgegnern geworden, die das Schreckensszenario von behinderten Neugeborenen heraufbeschwören.
Solidarität mit Schäuble
Auch heute noch werden behindertenfeindliche Vorurteile bedient, um die eigene Position zu untermauern. So kam der Redner der Hedonistischen Internationale auf der Demonstration „Freiheit statt Angst” am 22.09.07 in Berlin nicht umhin, Innenminister Schäuble als “rollenden Verfassungsfeind” zu bezeichnen, der nur dadurch zu stoppen sei, indem man einen Stock in die Speichen seines Rollstuhls halte. Was die Pläne Schäubles, die tatsächlich weit überzogen sind und jeder rechtsstaatlichen Idee widersprechen, mit seiner Art der Fortbewegung zu tun haben, erklärte der hedonistische Internationalist nicht. Aus der Schar der Demonstranten, von FDP über Bündnis 90/Grüne bis hin zu autonomen linksradikalen Schwarzkutten, war kein Widerspruch zu vernehmen. Mich beschlich einmal mehr das Gefühl, auf dieser Veranstaltung unerwünscht zu sein und ich verspürte eine selten erlebte Nähe zum Innenminister. Um ein Haar hätte ich zur Solidarität mit ihm aufgerufen.
Kommt zusammen, Leute, lernt euch kennen
Wenn Behinderte in linken Zusammenhängen Thema sind, dann in der Position der Opfer. Als ernstzunehmende gleichberechtigte Partner im Kampf gegen die Schlechtigkeiten dieser Welt aber scheinen sie für das Gros der Linken keine Rolle zu spielen. Die Ursache dafür liegt wohl darin begründet, dass Linke nun einmal nicht von einem anderen Stern auf die Erde gekommen, sondern selbst Produkte dieser Gesellschaft sind. Die in dieser Gesellschaft bestehenden Ängste vor Behinderung spiegeln sich auch im Verhalten von Linken wieder. Für den Abbau dieser Ängste wäre es nötig, dass Behinderte und sich als links verstehende Menschen häufiger zusammentreffen. Das jedoch scheitert häufig schon an den baulichen Barrieren vieler Szenetreffpunkte.