Neues vom Ulmenhof

Seit zwölf Jahren wohne ich in Wilhelmshagen/Köpenick und bin mit der Umgebung eigentlich zufrieden. Das „Dorf“ liegt schon fast in Brandenburg und hat etwa 1.200 Einwohner. Es gibt eine S-Bahnstation und Busse. Weiterhin gibt es einen Ulmenhof, wo Behinderte und ältere Menschen zusammen auf einem größeren Hof mit Tieren und viel Grün leben. Die Bewohner waren vom Rest des Dorfes immer akzeptiert und man sah oft Gruppen von Betreuern und Behinderten durch den Ort laufen. Der Treffpunkt ist meist der S-Bahnhof. Viele können sich alleine im Ort bewegen und so lernte ich auch einige kennen. Besonders mit einem unterhielt ich mich oft und besuchte ihn auch einige Male in seinem Haus.

Vor etwa drei Jahren begann eine Gruppe zwölf- bis fünfzehnjähriger Prolls sich über die Behinderten lustig zu machen, die am Bahnhof standen und Freunde begrüßten. Dies habe ich in dem Zeitraum noch nicht mitbekommen. Doch sah ich etwas später an der Bushaltestelle, wenn ich von der Schule nach Hause fuhr, einige Jugendliche einen Behinderten anmachen. Sie schubsten und beschimpften ihn mit Ausdrücken wie „Bist du dumm“ und „Hau ab du Krüppel“. Weil das Dorf nur so klein ist und die meisten hier aufgewachsen sind, kennt man sich flüchtig untereinander aus der Schule oder aus dem Kindergarten. So erkannte ich auch zwei bis dreu von ihnen und ging ärgerlich auf sie zu. Zuerst sagte ich etwas wie „Was soll das?!“ und „Lasst das sein!“ Sie aber reagierten nicht auf meine Worte. Darauf schnappte ich mir einen namens Benjamin und stieß ich ihn gegen die Wand der Haltestelle. Auf einmal war es leise und die Jungs formierten sich um mich und fragten, was mir einfalle und ich solle mich gefälligst verpissen. Da sagte ich zu Benny, der doch schon Gegenwehr ausübte, dass wenn ich sie noch einmal dabei erwische, „jeder etwas auf die Fresse kriegt“. Darauf ließ ich ihn los und ging mit dem Behinderten schnell aus deren Reichweite.
Da ich in dem Ort mit vielen Jugendlichen gut auskomme, hatte ich später keine Probleme. Einige Wochen später erfuhr ich von Freunden, die die Situation beobachtet hatten, dass der eine Behinderte fast von den Prolls vor einen Bus geschubst worden war. Und seit dem immer wieder bespuckt und getreten wurde.
Dies war zu viel und ich rief in der Zentrale des Ulmenhofes an und verlangte nach der Betreuerin. Ich sprach einige Zeit mit der Frau und klärte sie über den Sachverhalt auf, da anscheinend niemand etwas bemerkt hatte (was für mich unverständlich ist, da der Betroffene für einen Zeitraum von paar Tagen ein blaues Auge hatte und sicher auch blaue Flecken). Wir waren uns einig, dass eine Anzeige vom Heim erfolgen müsse und ich eine Zeugenaussage machen würde. Am Ende des Gespräches bedankte sie sich für die Hinweise und Hilfe und sagte, dass sie mich noch mal anrufen werde in den nächsten Tagen, weil sie mit der Heimleitung Genaueres absprechen müsse.
Doch es erfolgte kein Anruf, ich wartete vergebens. Nach zwei Wochen rief ich noch mal an, doch erreichte ich niemanden. Darauf ist das Thema anscheinend verflogen, und ich vergaß dies auch, da ich den Behinderten nicht mehr sah.
Letztlich ist der Behinderte vermutlich in ein größeres Dorf verlegt worden, doch weiß ich nicht, ob die Gründe dafür die vorgefallenen Ereignisse waren.

Jonas Becker

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