Bielefeld, den 20.11.1941 (20.30 h)
Mein liebes Putteli,
Wieder ist ein harter Arbeitstag zu Ende. Ich sitze allein in meinem Hotel und habe soeben zum Abendessen gekochten Kabeljau mit Salzkartoffeln u. Senf-Sauce zu mir genommen. Jetzt leiste ich mir ½ Flasche „1934er Crettnacher Eucharienberg“ von den Ufern der Saar. Von den andern sind die meisten in’s Kino gegangen, um sich das „Wunschkonzert“ anzusehen. – Die heutige Arbeit ging wieder ziemlich flott. Das Haus „Arafna“ mit 68 Insassen ist fertig geworden, von denen ich 34 gemacht habe. Es handelt sich um diejenigen Kranken, die in dem Haus „Klein Bethel“ den Bombenhagel über sich ergehen ließen – Du kennst das Haus „Klein- Bethel“ von außen – und die jetzt nach „Arafna“ umgezogen sind. Meine heutige Tätigkeit erstreckte sich also auf erhebliche Todeskandidaten, denn alle diese Frauen und Mädchen hätten auch damals schon ihre Leben lassen können, wie die anderen Opfer. – Morgen früh kommt das Haus „Siloah“ an die Reihe. Nach dem vorgesehenen Arbeitsplan schreitet unsere Arbeit rüstiger fort, als vorher erwartet wurde. Aber wann wir fertig sein werden, lässt sich noch nicht übersehen. Ich taxiere, dass wir etwa heute in 8 Tagen, also Donnerstag fertig werden; aber sicher ist das noch nicht. Jedenfalls werde ich sofort nach Abschluß unserer Arbeiten nach Göttingen fahren. Ich erwarte nun Deine Mitteilung, ob Du am Montag nach Göttingen nach fährst oder ob Du nun doch noch ein paar Tage dort wartest. Wenn Du schreibst, daß Du am Montag fährst, werde ich sofort an’s Hotel „Krone“ in Göttingen schreiben. Ich freue mich eigentlich sehr auf Göttingen. – Bis jetzt hat es noch keinen Fliegeralarm gegeben; hoffentlich bleiben wir weiter verschont. Ich werde mich heute abend sehr bald zum Lesen in meine Haya verfügen obwohl es sich auch hier unten im Wein-Restaurant gut sitzt . Der Rahmen dieser Komission ist zu groß, um eine richtige Geselligkeit in den arbeitsfreien Stunden mit sich zu bringen. Im Kreise der Herren Professoren wird mir zu viel gefachsimpelt; der Kreis der jüngeren Herren ist mir zu vagabund
und zu grün; also bin ich ebenso gern für mich allein. – Ob ich wohl schon morgen früh von Dir Nachricht bekomme? Für Deine Reise wünsche ich Dir jedenfalls schon jetzt alles Gute „störungsfrei!“ – Heute Mittag habe ich die 100 Mark in Empfang genommen. Sie sind telegraphisch geschickt u. waren schon am Sonntagmorgen hier. – Nun komm wieder in meine Arme, mein liebes kleines Puttli-Mutti, und nimm innigste Pa-Küßli’s von deinem treuen Fritz. Auch an die Eltern herzlichste Grüße!
Freitag, d. 21.11.41. 7.45 h: Herzinnigsten Guten Morgen, mein Lieb! Die Nacht ist ohne Störung mit bestem Schlaf von 23.00 bis 7.00 h vergangen. Fröhlichen Sonntag!
Dein tr. Fritz.