„Rolling“

Wie ist es im Rollstuhl zu sitzen? Warum schauen mich die Leute an? Warum verstecken sich die Kinder? Warum lachen sie? Wie fühlt es sich an, wenn man in einem Rollstuhl auf eine Party geht? In einigen filmischen Werken, zum größten Teil Spielfilme, wurde schon versucht, diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Kann man durch einen Film wirklich das Leben eines Rollstuhlfahrers nachempfinden? Ist man quasi selbst ein Teil des behinderten Körpers, fühlt man die Blicke und die Probleme? Bei dem Filmwerk von Gretchen Berland kann man diese Frage aus vollem Herzen mit Ja beantworten.
Der Zuschauer begleitet drei Menschen in ihren Rollstühlen: Gelen Buckwalter, Ernie Wallengren und Viki Elman. Letztere hat damit zu
kämpfen, dass ihr Rollstuhl immer wieder stehen bleibt und sie im Stich lässt. Durch die besondere Kameratechnik – die Kamera ist am Rollstuhl installiert – sitzt man als Zuschauer mit ihr in der Klemme und verbringt die Nacht draußen, weil sie niemand mehr ins Haus bringen kann. Die Kamera läuft einfach mit. Es wird nichts kommentiert und nichts geschönt. Wir folgen drei Menschen, die mit einem maroden amerikanischen Gesundheitssystem kämpfen und mit ihren unterschiedlichen Behinderungen (MS, ALS, Querschnittslähmung) zurechtkommen. Dies tun sie auf eine sehr humorvolle, sarkastische und patente Art. Aber ihr Leben ist nicht nur Kampf, auch wenn der Film – und das ist vielleicht ein kleiner Minuspunkt – doch den Eindruck erweckt, dass das Leben im Rollstuhl oft hart ist und keinen Spaß macht. Vielleicht liegt das ja weniger am Rollstuhl als am Land und seinen Gegebenheiten. Dieser Film zeigt die Welt von Rollstuhlfahrern, die aufgrund ihres Körperbaus und ihrem rollenden ständigen Begleiter ungewöhnlich sind und doch den Versuch unternehmen, möglichst selbstständig an einem gewöhnlichen Alltag teilzunehmen.
Das Besondere ist, dass er über weite Strecken auf das Abrufen von Sentimentalitäten und Opfermentalität verzichtet. Und dieses ist neben der beeindruckenden Kameraführung und Bildsprache sein großer Pluspunkt.
Diese über sechs Monate gesammelten Impressionen schaffen es, den Zuschauer auf den Beifahrersitz zu setzen und mit ihm durch einen eindrucksvollen, aber manchmal auch recht ernüchternden Alltag zu rollen.

USA 2004, 70 min R: Gretchen Berland
Abzurufbar unter: www.realeyz.tv/de/Rolling

Lena Anders

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