4 Fragen an Regisseur und Drehbuchautor Dietrich Brüggemann

Mondkalb: Wie bist du generell auf das Thema gekommen? Du hast bei der Premiere gesagt, du hast eine Diplomarbeit gelesen?
Brüggemann: Genau – das hat für uns ganz früh angefangen, weil unsere jüngste Schwester sitzt im Rollstuhl. Da ist man mit dem Thema aufgewachsen und das führt dann automatisch dazu, immer wenn wir Filme zu dem Thema gesehen haben, dass wir gedacht haben: Da fehlt was; das ist nicht so. Und natürlich habe ich dann Zivi gemacht, in der Schwerstbehindertenbetreuung, bei einem Spastiker. Der war noch ganz gut zu Fuß, konnte aber nicht mit der Hand schreiben. Also er saß neben mir und hat diktiert. Ich hab einfach geschrieben und hatte keine Ahnung, was ich da schreibe. Das war ein sehr, sehr cooler Typ. Der hatte so einen speziellen Humor, von dem ist auch einiges ins Drehbuch gewandert. Das hab ich dann aber später erst gemerkt.

Mondkalb: Wie bist du auf die Dialoge gekommen?
Brüggemann: Vieles davon sind einfach Situationen, die wir selber mit unserer Schwester erleben. Ansonsten sind die Dialoge auch mein Steckenpferd. Ich finde es einfach ein bisschen katastrophal, was da im deutschen Film so geredet wird. Mir geht es relativ leicht von der Hand, deswegen ist es mit wichtig, dass es Spaß macht.

Mondkalb: Wie hast du deine Hauptdarsteller gefunden?
Brüggemann: Das Casting war ein ganz langer Prozess. Es fing damit an, dass wir überlegt haben, es wäre doch ganz schlau, die Rolle mit einem echten Rollstuhlfahrer zu besetzen. Das war eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen, hätte sich aber lohnen können. Jetzt ist das natürlich auch eine Rolle, die nicht nur vom Rollstuhlpart her quasi anspruchsvoll ist, sondern auch vom Spielen. Das muss so ein Typ sein, der extrem gut mit Text umgehen kann, mit der Sprache und mit den vielen verschiedenen Haltungen zwischen freundlich, unfreundlich, sarkastisch, zynisch – also eigentlich ein verkappter Filmstar. Ich hab dann über Anzeigen in Rollstuhlmagazinen einige getroffen und kennengelernt, aber da war niemand dabei, in dem ein verkappter Filmstar wohnte. Das waren alles Leute, die keine Erfahrung vor der Kamera hatten und einfach auch nicht das Talent. Dann haben wir angefangen, Schauspieler zu casten, alles was in dem Alter in Deutschland so rumläuft. Da war wirklich ganz wenig dabei, was in Frage kam, die meisten Schauspieler haben sofort, wenn sie im Rollstuhl saßen, angefangen, das ganze Elend einer schlimmen Existenz zu spielen – waren einfach Scheisse drauf. Ich hab dann gesagt, „Ey nee, das ist erstmal ein normaler Typ und der hat auch gute Laune, da ist so ein Sarkasmus drunter.“ Das war mit den wenigsten zu machen. Robert war sofort ein Volltreffer. Und dann gab es noch Jakob Matschens, der den Zivi spielt. Jemand der so ein Standing hat, dem man auch abnimmt, dass er auf ein Mädchen zugeht und sie küsst und so. Da war auch sonst niemand dabei. Also es war die Idealbesetzung. Es gab keinen Plan B.

Mondkalb: Wurde medizinisch bei der Darstellung der sehr realistischen Querschnittslähmung nachgeholfen?
Brüggemann: Das ist alles wirklich einfach so gespielt. Ich finde es jetzt selber so nicht so hundertprozentig überzeugend, sondern nur so neunzig. Jemand der 7 Jahre im Rollstuhl sitzt, bei dem atrophieren auch die Beine und Füße, und wenn die Hände beeinträchtigt sind, eigentlich auch die Hände. Man sieht an den Händen eines Menschen, ob er sie regelmäßig benutzt oder nicht. Ein aufmerksamer Fachmann würde merken, dass das hier ein Fußgänger ist, der einen Rollstuhlfahrer spielt. Doch Robert Gwisdek, der wollte es wirklich wissen, der hat sich da richtig reingesteigert.

Interview: Marie Gronwald

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