Berlinale Special

Ben sitzt für den Rest seines Lebens im Rollstuhl. Er ist fröhlich, intelligent und verzweifelt. Die Liebe kommt für Behinderte wie ihn nicht in Frage. Das erklärt er zumindest seinem neuen Zivi Christian. Der nimmt das Leben leicht: Er wird ein halbes Jahr bei Ben bleiben und dann seiner Wege gehen. Annika studiert Cello und hetzt durch ein Leben, das nur aus Üben und möglichst perfektem Vorspielen besteht. Sie fährt jeden Tag mit dem Fahrrad an Bens Wohnung vorbei. Ben schaut ihr jeden Tag vom Balkon aus sehnsüchtig hinterher. Doch erst als sie eines Morgens mit Christian kollidiert, lernen die Drei sich kennen und werden Freunde. Zu dritt erschaffen sie sich eine eigene Welt. Dann verlieben sie sich, denn natürlich wollen beide Jungs mehr von Annika als nur Freundschaft. Annika kann sich nicht entscheiden. Sie mag Christian und seine Verspieltheit. Aber so jemand wie Ben ist ihr noch nie begegnet – in jeder Hinsicht. Was für alle drei wie ein Spiel beginnt, wird für Ben eine Reise zu seinen größten Ängsten, in Abgründe, aus denen er allein nicht mehr herausfinden wird.

Regisseur und Drehbuchautor Dietrich Brüggemann inszeniert dieses humorvolle Drama einer Dreiecksgeschichte ohne Scham und Schüchternheit. Er setzt stattdessen auf einfühlsame, ernste und doch ironische Dialoge und schafft es dabei, ohne Klischees, sogenannte Behindertentabuthemen wie Partnerschaft, Sexualität und Suizid klar und direkt zu erzählen. Durch die grandiosen Dialoge und das einfühlsame Spiel der Darsteller – insbesondere Robert Gwisdek als Ben – werden die Konflikte schnörkellos und ohne Kitsch auf den Punkt gebracht.Vorurteile werden in diesem Film, an dessen Entstehung die Hauptdarstellerin maßgeblich beteiligt war, als solche erkannt und durch schwarzen Humor nicht einfach bloßgestellt, sondern ins Gegenteil verkehrt. „Renn, wenn du kannst“ zeigt Behinderung in vielen Facetten und verzichtet dabei auf jegliche Samthandschuhmentalität. Dadurch wird es zum überzeugenden, einfühlsamen, direkten und melancholisch-humorvollen Filmvergnügen der besonderen Art.

Deutschland 2009, 112 min, R: Dietrich Brüggemann D: Anna Brüggemann, Robert Gwisdek, Jacob Matschenz, Kinostart: Spätsommer 2010

von Marie Gronwald

Comments are closed.