Wenn ich mich objektiv betrachte – so als Sexualobjekt – durch das Objektiv einer Kamera zum Beispiel, dann sehe ich gar nicht gut aus. Auf einer Party bin ich kaum derjenige, von dem die Schönen des Abends sagen: „Mit dem würde ich gern die nächste Nacht verbringen.“ Auch im Freundes- und Kollegenkreis werde ich nicht unbedingt als Lebensabschnitts- oder Heiratskandidat gehandelt. Die tollen Kerle, die süßen Männer – das sind die Anderen.
Allein die Tatsache, dass ich im Rollstuhl sitze… Nein, eigentlich sitze ich nicht. Zum Sitzen gehört ein Minimum an
Rücken-, Bauch- und Arschmuskulatur, welche bei mir nicht vorhanden ist. Ich fläze, ich hänge, ich liege im Rollstuhl – hineingeschüttet. Aufgefangen, sozusagen am Wegfließen gehindert von Rücken- und Seitenlehne. Mein Kopf balanciert auf einem dünnen Hals und meiner Mimik ist oft genug anzusehen, wie schwer es mir fällt, ihn aufrecht zu halten. Arme und Hände sind dünn, die Finger krumm und geschwollen. Mein Rückgrat schlängelt sich in S-Form. Ellenbogen, Knie, Hüften und Schultern lassen sich nur innerhalb eines sehr begrenzten Radius beugen und strecken.
Ich bin nahezu bewegungsunfähig. Klar, dass ich überall und immer Hilfe brauche. Darüber hinaus habe ich noch einige Maschinchen, die in der Nacht oder beim Abhusten meine Atmung unterstützen.
Skoliose, Dystrophie, Ödem, Kontraktur, Insuffizienz… – Worte, die auf mich zutreffen und die mich zum Mängelwesen machen; Worte, die Behörden und Versicherungen veranlassen, meine Assistenten, Maschinchen und Therapien zu finanzieren.
Manchmal treffe ich mich mit M. Sie ist sehr schön und ihr Duft erinnert an den der Früchte des Gartens Eden. Wenn ihre Augen und bald auch ihre Lippen meinen Leib abtasten, wenn unsere Häute sich schmiegen, wenn sie unter meinen Zungenschlägen erbebt und auch bei mir der Rest der Muskulatur etwas Adäquates hinzukriegen versucht, dann habe ich das alles einfach vergessen, dann bin ich kein Mängelwesen.
Ich als sexuelles Subjekt bin ganz großartig und wunderbar! Aber auch wenn ich einen alten Portwein trinke, eine Bachkantate höre oder mich darüber freue, weil mich der Hund meines Assistenten mit seiner nassen Nase anstupst, fühle ich mich einfach nur gut – wie die meisten Leute halt, wenn sie so etwas erleben. Und ich kann nicht nur sagen: „Ist das schön!“, ich kann auch sagen: „Ich bin schön!“ Und ich bin nicht schön trotz meines Buckels, mein Buckel ist schön – schon weil er zu mir gehört.
Natürlich kann ich mich dem objektiven Blick nicht verschließen und weiß, dass mein Buckel weithin als hässlich wahrgenommen wird. Solange aber mein Buckel von mir positiv belegt ist, können mir all die anderen, die ihn negativ belegen, den selbigen herunterrutschen – und dabei eventuell sogar ganz eigene erotische Gefühle entwickeln. Ich fänd´s schön.